Kloster-Hopping in Armenien

Wir hatten gehört, dass Armenien ein spannendes Land mit unzähligen alten Klöstern und uralten „Steinen“ ist. Die touristische Infrastruktur sei zwar recht schlecht, dafür aber gebe es noch viel zu entdecken.
Und tatsächlich tauchten wir wieder einmal in eine ganz andere Welt ein. Fast durchgehend fühlten wir uns in alte Sowjet-Zeiten zurückversetzt: Riesige graue Hochhausblocks, bunte streichholzschachtelige Autos, alte massive Gemüsewaagen, historisch scheinende Kassen, gestickte Gardinen mit Spitze…

Hier trafen wir viele freundliche Menschen, besuchten mehr Klöster als jemals zuvor in unserem Leben, fanden einige schöne Schlafplätze und staunten nicht schlecht über das Können armenischer Auto- und Busfahrer, die bei unangemessen scheinender Geschwindigkeit im Slalom um die unzähligen Schlaglöcher herumkurven. Allesamt würden bei uns wohl die Pokale der Offroad-Rennen abräumen.

Typischer Hochhausblock aus der Sowjet-Zeit
Das Kloster Norawank in Zentralarmenien

Eine Geschichte für sich

Ja, Armenien überraschte uns mit noch sehr viel schlechteren Straßen und noch viel tieferen Schlaglöchern als Georgien. Und so kamen wir gerade einmal 2 Tage ohne Panne weiter. Dödöm! Auf dem „Highway“ Richtung Dilidschan, der sogenannten Armenischen Schweiz, freuten wir uns zunächst über einen recht gute Straßenabschnitt, drehten die Musik auf und fuhren mit immerhin gut 50 km/h. Wir kamen knapp 60 km weit bevor sich unser Motorblock mal wieder Richtung Asphalt orientierte. Die in der georgischen Werkstatt 3 Tage zuvor zugesicherten „no problems anymore“ waren also dahin. Die ausgetauschten Schrauben der Motoraufhängung waren diesmal zwar nicht gebrochen, aber aus ihren Gewinden herausgerissen. Mit mittlerweile gelernter Gelassenheit schmiss Sebastian den Warnblinker an, rollte auf ein Schotterfeld neben der Straße und ging mal nachsehen (Korrektur von Sebastian: Du bist gefahren 😉 !!!). Wohlwissend, dass er eigentlich nicht gucken brauchte was da los war. Ich zückte derweil mein Handy und suchte eine Werkstatt wurde allerdings leider nicht fündig und wendete mich schließlich, in der Hoffnung auf jemanden zu treffen der englisch spricht, an einen Tourguide aus der Nähe. Und dank der unfassbaren Hilfsbereitschaft organisierte der Guide Jura einen Abschleppwagen, verhandelte die Kosten mit dem Fahrer, bat ihn uns in eine Werkstattstraße zu fahren und bot uns sogar an, eine Unterkunft zu arrangieren. Wir waren unglaublich dankbar.  

Wir nutzten die Wartezeit um Jola etwas zu Essen und uns einen Kaffee zu kochen. Als der Abschlepper dann eine knappe Stunde später eintraf war eins sofort klar: Er schien eher auf das Abschleppen besagter Streichholzschachteln spezialisiert zu sein, nicht auf tonnenschwere Kastenwagen. Und so machte die Fahrerkabine des Abschleppers einen ziemlichen Satz nach oben, als er aufgezogen wurde.

Rechts, links, vorne und hinten im Anschlag passte Sumsemann gerade so darauf und wir fuhren los. Fahren ist eigentlich zu viel gesagt, denn wir schlichen. Im Schneckentempo. Bei jeder Unebenheit, jedem kleinen Hügel und jeder Windböe drohte der rostig-blaue Kollege wieder abzuheben. Am Anfang amüsierten wir uns darüber. Als wir nach einer Stunde allerdings nicht mal 10 der insgesamt popeligen 20 Kilometer hinter uns gebracht hatten, wurde aus dem amüsierten Lächeln eher ein hilflos-schockiertes. Es war schon dunkel als wir ankamen und die meisten „Werkstätten“ – eher eine Aneinanderreihung einfacher Wellblechhütten – waren bereits geschlossen. Nach ein paar Diskussionen und Telefonaten mit unserem Engel Jura war ein Mechaniker gefunden. Tatsächlich war er laut des Abschleppfahrers der „beste in der Umgebung“. Ganz zufällig war er aber auch der Einzige, der noch offen hatte ;). Sebastian saß im Camper auf dem Abschleppwagen, bereit ihn herunter zu begleiten. Und auch der Abschlepper schien bereit. Ich sah dass er wohl vergessen hatte die Auffahrrampe auszufahren. Also schnappte ich ihn mir und machte ihn darauf aufmerksam. Seine Reaktion darauf war: „no problem!“
Ohhhh, das kannten wir schon! Ich zog ihn nochmal am Ärmel, schliff ihn nach hinten und machte ihm (diesmal etwas energischer) deutlich, dass diese Verlängerung notwendig sei da wir sonst nicht ganz herunterfahren könnten. „No problem, Miss!“ Nagut, dachte ich mir und Sebastian beruhigte mich mit den Worten, dass er das ja sicher nicht das erste Mal machen würde. Oder doch?!

Und so kam es, wie es kommen musste. Er ließ Sumsemann an einem Stahlseil ab und durch das Gewicht kippte der Abschlepper – wie schon beim Aufladen – nach hinten, sodass Sumsemanns Hinterreifen auf dem Boden standen. Dann flitschte die Ladefläche des Abschleppers zurück gegen unseren Unterboden und wir saßen auf. An dieser Stelle dachte ich kurz an die versteckte Kamera.
Völlig erstaunt über diese Situation (die sowas von absehbar war.. ich könnt mich heute noch aufregen!) versammelten sich immer mehr Hirnis um unser Auto. Allesamt übrigens mit spitz zulaufenden Lackschuhen und Silberschnalle – die neben den streichholzschachteligen Autos mit überdimensionalen Dachgepäck, runden Bussen, mit Heu völlig überladenen Pick-Ups und Maiskolbenkochern am Straßenrand zu den (für uns) typischsten Bildern der Armenier gehören.

Es dauerte erstaunlich lange bis sie auf die Idee kamen, dass die einzige Lösung dieser Misere war den Abschleppwagen vorne wieder hochzubocken damit hinten eine Abfahrrampe entstehen konnte. Aus Brennholzklötzen bauten sie einen Unterbau und geschlagene zweieinhalb Stunden später hatte unser Camper wieder richtigen Boden unter seinen Reifen. Und einen demolierten Auspuff on top.

Mittlerweile war es so spät, dass wir nur zwei Optionen hatten. Entweder wir verbrachten die Nacht an der LKW-lastigen Hauptstraße zwischen fragwürdigen Werkstätten, Straßenhunden und ein paar dunklen, ölverschmierten Gestalten oder wir ließen Sumsemann alleine und gingen in ein Hotel. Schließlich bot uns der Werkstattleiter an, Sumsemann sicher in seinem überdachten Wellblechbunker (alias Werkstatt) zu parken. Gute Idee! Allerdings schien uns die Einfahrt in den kleinen Blechkasten zu niedrig. Wieder machten wir mehrfach darauf aufmerksam. „no Problem!“ hieß es und sie parkten einige Autos umständlich um, um Platz für den Camper zu machen. Hilflos zückten wir den Zollstock um zu verdeutlichen, dass Sumsemann locker 20 cm zu hoch sei. Der Ausgang der Situation war absolut eindeutig. Und dennoch…. Ich denke, weitere Ausführung können wir uns an dieser Stelle sparen.


Resultat war, dass Sumsemann immerhin mit der Motorhaube in der Werkstatt stand, der Werkstattleiter die Nacht durchmachte um auf ihn aufzupassen und wir in ein Hotel fuhren.


Am Ende haben sie dort in der Werkstatt wirklich einen guten Job gemacht und wir waren ihnen und nicht zuletzt Jura, den wir leider nie persönlich kennenlernten, sehr sehr dankbar als wir am Folgeabend mit repariertem Sumsemann weiter tuckern konnten. Der Weg dahin aber war eben eine Geschichte für sich.

Über Pässe, tiefe Schluchten und Nebelwälder Richtung Iran

In Armenien schlängelten wir uns in insgesamt knapp zwei Wochen von Kloster zu Kloster in den Süden hinunter, wo wir die Grenze zum Iran passieren wollten. Am Sewansee, der mit 2.000 m zu einem der höchstgelegensten Trinkwasserreservoires der Welt gehört, genossen wir ein paar Tage in völliger Ruhe, übten mit Jola krabbeln, gingen im See baden, machten Lagerfeuer und grillten Fisch.

Lediglich ein paar Kühe treffen wir am Sewansee

Mit aufgetankten Kraftreserven ging es weiter über Jerevan, die Haupstadt Armeniens, wo wir unser „Carnet de passage“, die Einfuhrunterlagen unseres Campers für den Iran bei einer kleinen DHL-Stelle abholten, Kopien der wichtigsten Unterlagen auffrischten und unsern Weinvorrat letztmalig auffüllten. Jerevan ist ganz anders als der Rest des Landes. Teure Cafés, dicke Autos, breite Einkaufsstraßen und junge Hipster prägen das Stadtbild. Irgendwie wirkte die Stadt fast etwas surreal inmitten des Landes, indem sich die Menschen bis ins hohe Alter mit ihren 3 geernteten Maiskolben auf den Weg zur Hauptstraße machen um sie dort mit etwas Glück für wenige Dram zu verkaufen.

Im Süden angekommen kratzten wir unsere letzten armenische Dram zusammen und ich fuhr mit Jola die, Zitat: „Wings of Tatev – Guiness book of worldrecords listed longest cabelcar in the world“ während Sebastian und Herr Sumsemann die Serpentinen-Strecke fuhren (check!).

Wenige Kilometer vor der Grenze mussten wir einsehen, dass wir die Straße auf der wir unterwegs waren wegen des extrem schlechten Zustandes nicht weiter fahren konnten. Also ging es am nächsten Tag ein paar Stunden zurück in den Norden um dann im großen Bogen, entlang der aserbaidschanischen Grenze, Richtung Iran zu fahren.

Unsere letzte Nacht verbrachten wir hoch in den kalten, nebeligen aber sehr grünen Bergen Armeniens (was rückblickend ein extremes Kontrastprogramm zu dem war, was uns im Iran erwarten sollte). Da Alkohol im Iran streng verboten ist, schenkten wir einem Ranger der uns beim Frühstück besuchte unseren serbischen Williams-Christ (sorry Onkel Robert!) und eine Flasche Erdinger, die wir in Tiflis abgestaubt hatten. Er war ganz von den Socken und pflückte uns im Gegenzug etwa zwei Kilo halbreifer Mirabellen, brachte ein paar heiße Kartoffeln aus dem Feuer, Tomaten, zwei Paprika und ein paar Bonbons für Jola vorbei.

In ganz Armenien trafen wir übrigens lediglich ein älteres Paar aus der Schweiz, die mit ihrem VW-Bus unterwegs waren und ein paar Wanderreisegruppen, die Armenien meist eher als Abstecher aus Georgien bereisen. Eine Situation die das Land in unseren Augen sehr attraktiv macht. Hier gibt es kaum Souvenierstände, keine Touri-Fassaden, keine Abzocke… aber eben auch kaum ausgeschilderte Wanderwege, keine englischen Menüs und wenig Reiseberichte. Ein Land für Entdecker!

Schlafplatz mit Blick auf das Kloster Tatev im Süden Armeniens
Ein altes Waldkloster bei Dilijan
Ein armenischer Grenzposten – die Berge dahinter gehören schon zum Iran

Das letzte Stück zur iranischen Grenze fuhren wir im Tal an einem Fluß entlang. Neugierig blicken wir durch den Stacheldraht auf die andere Flussseite: Vor uns lag der Iran. Das Land das uns schon im Vorfeld fesselte obwohl wir kaum etwas darüber wussten. War es vielleicht gerade das Unbekannte was es so interessant machte? Ich jedenfalls liebe das Gefühl unvoreingenommen und unwissend in ein so fremdes Land einzureisen.

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